Karneval hat vor niemanden und nichts Respekt


Vor Jahren hieß das Motto des Kölner Karnevals – Jeder Jeck ist anders.
Sind wir nicht alle anders, alle Narren, auch die, die jetzt aus dem Orient zu uns gekommen sind? Narren, nicht nur an diesen 7 Tagen vor Aschermittwoch? Das ganze Leben ist ein Tollhaus, ein Narrenspiel.

Wir sitzen in einem Narrenschiff und glauben gerne selbst, närrischer sind immer die andere. Es ist wieder soweit, der fette Dienstag wartet auf uns und seit Donnerstag sind die „Weiber“ los. Da stürmte das närrische Volk die Ratshäuser entlang des Rheins und lässt die Arbeit ruhen, trägt das närrische Spektakel aus den Sitzungssälen auf die Straße, mit Farbe im Haar und verschmierten Herzen an den Wangen.

Tabus sind zum Brechen da und Respekt haben wir vor keiner Obrigkeit. Wir machen Unsinn und ziehen alles und jeden durch den Kakao, mit Vorliebe die Pfaffen und Großkopferten. Wir machen eine lange Nase all denen, die uns mit ihrer Besserwisserei und ihrer Klugscheißerei drangsalieren. Ob nun in Köln, Mainz oder Düsseldorf. Respekt hat heute keiner, weder vor der Staatsmacht noch vor den Bossen. Wir sind per se anzüglich und keinesfalls zurückhaltend; wir sind schlüpfrig, sexistisch, ironisch und sarkistisch.

Am Rosenmontag werden wir wieder gespannt nach Düsseldorf schauen und auf die monumentalen und bissigen Prunkwagen von Jaques Tilly warten. Wir wollen wissen, wen er diesmal, in wessen Allerwertesten kriechen lässt. Wen Tilly aufs Korn nimmt, der hat gesellschaftspolitisch was bewegt und das kann und darf respektlos kommentiert werden, auch wenn so manchem beim WDR die Sprache verschlägt.

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Karneval ist eine Persiflage, per Definition ein Tabubruch und je nach Region zotig, politisch oder allegorisch. Dabei wird gewütet und gewettert was das Zeug hält und die Schimpftirade nehmen es locker mit der Fäkalsprache großer Autoren, in bester Tradition von Shakespeare bis Pirincci auf. Doch das erzählen wir den Zuwanderern aus dem Orient lieber nicht, sie können uns ja aufs Korn nehmen und beginnen uns zu veräppeln, uns durch den Kakao zu ziehen. Aber wie sollen sie erfahren das bei uns Karneval nicht gleich Karneval ist, wenn wir ihnen das vorenthalten?

Der alemannischen Fastnacht liegt es fern mit sexistischen Anzüglichkeiten aufzuwarten, sie bleibt alegorisch, vertreibt die bösen Wintergeister, während der Kölner Karneval ohne Anzüglichkeiten gar nicht sein kann, Hier wird gerne auf des Nachbarn Frau geschielt und die Eigenheiten des Krämers um die Ecke bloß gestellt. Und wenn sich jemand en public in den Schritt greift, dann nur sich selbst, einer obszönen Geste wegen. Respektlos sind sie allemal und das Schingderassa Bumderassa gehört allemal zum Karneval dazu.

Soweit so gut, wir wissen was auf uns zu kommt und was wir von den tollen Tagen des Karnevals erwarten, bevor wir, mit Ruß geschwärzter Stirn, die 40 tägige Fastenzeit beginnen und auf Ostern wartend.

Ein besonderes Narrenstück hingegen präsentiert die Pressestelle der Bezirksregierung Arnsberg, mit der wenig reizvollen Mitteilung „Hinweise zu Karneval“ – Doch wer meint der Adressat sei klar bestimmt und es handele sich um ein Handbuch für Flüchtlinge, für den Umgang mit dem deutschen Brauchtum, der wird gewaltig enttäuscht. Nein, nein die Arnsberger Pressestelle in der Seibertzstraße 1 will auch nicht der Gralshüter des Deutschen Karnevalismus sein.

Ganz im Gegenteil, hier hat der kleine Benjamin zugeschlagen. Schon im zweiten Satz der Pressemitteilung erfahren wir von dem bärtigen Bennie, dass unser rheinischer Karneval seinen Ursprung im katholisch geprägten Christentum hat. So, so, hat er das? Bennie, Bennie ik hör dir trapsen! Sag das mal den Menschen in der schwäbischen Provinz, in Überlingen und Rottweil.

Bennie schreibt weiter: „Ein wichtiger Grundsatz an Karneval ist Toleranz und Respekt. Das gilt für jeden der feiern will. Für Männer genauso wie für Frauen. Deshalb gilt: Feiern ist erlaubt, aber nur so, dass sich davon niemand gestört fühlt.“

Wie bitte, ich soll beim Feiern niemanden stören? – So, so – ich dachte eigentlich der Lärm und die Störung seien Programm! Oh, Bennie, was weißt du vom Karneval? Und ja lieber Bennie Alkohol (al-kuhul) – übrigens ein arabisches Wort, wirkt wie ein Gift, wie du schreibst – ja, noch schlimmer, Alkohol ist ein Zellgift und das sollte jeder wissen, der sich diesem Ambrosia hingibt – Gut, dass das jetzt auch die Bezirksregierung im fernen Arnsberg zu vermelden weiß und uns aufklärt – Wird Bennie eine gleich lautende Pressemitteilung auch an all die Schützenfestvereine des Regierungsbezirks Arnsberg verschicken, wenn im holden Mai die Schützenkönige gekürt werden? Ich glaub ja eher nicht, weil das Schriftstück selbst könnte als Störung aufgefasst werden!

Und im Weiteren erklärt Bennie die Kunst des Bützens , wobei er unterschlägt, dass es sich dabei um ein besondere Eigenart des Kölner Karnevals handelt, denn weder in Mainz, noch in Düsseldorf oder in den alemannischen Hochburg in Süddeutschland, bis hin nach Basel wird gebützt, da wird dann zum Beispiel zum Morgestraich das Licht in der ganzen Stadt ausgeschaltet und im Dunkeln weiter gefeiert! Ob das auch in diesem Jahr so ist?

Der Text der Pressestelle ist an Peinlichkeit kaum zu übertreffen. Das an erzieherischer Betulichkeit schwangere Papier ist in jeder Hinsicht ungeeignet das Verhalten der Bio-Deutschen im Karneval zu erklären, noch vor den Gefahren übermäßigen Alkoholkonsums zu warnen.

Der rheinische Karneval ist eine Persiflage auf die französische Okkupation des linken Rheinufers. Die traditionellen Feierlichkeiten der Franzosen. am fetten Dienstag – Mardi Gras, boten den Kölnern, während der Besetzung im vorletzten Jahrhundert, die gute Möglichkeit, das Maskenspiel der Franzosen für ihre Zwecke zu nutzen und die Besetzer selbst zu verhohnepipeln, mit z.B. dem traditionellen Stippeföttchen, einem semierotischen, respektlosen Tanz von Gardisten.

Ich erinnere mich an den ersten gemeinsamen Karneval nach dem Fall der Mauer, es waren die Schwester aus dem Osten, die von Gier gepackt nach den Kamellen griffen, geradezu Jagt machten auf alles, was von den Prunkwagen geworfen wurden, als ob es keinen Morgen mehr gebe. Die Kamelle sind für die Kinder und wer sich als Erwachsenen, mit Tüte bewaffnet an den Straßenrand in vorderste Front stellt, der hat den Sinn und Zweck des Karnevals nicht kapiert, der spinnt.

Der rheinische Karneval von Mainz bis Düsseldorf ist dem Wesen nach immer schon bissig und  anzüglich, eine Satire auf Politik, Religion und Militär. Er ist alles andere als tolerant und respektvoll. Ganz im Gegenteil er stellt die Toleranz der Obrigkeit auf die Probe. Die Respektlosigkeit ist geradezu das Markenzeichen des rheinischen Karnevals. Wohingegen der alemannische Karneval im Schwäbischen seinen mystisch, allegorischen Charakter betont.

Nun glaubt man natürlich gerne, dass solche hoch offizielle Mitteilungen aus der Bezirksregierung dem Gemeinwohl dienen, doch das  Papier ist ein weiteres Beispiel in einer endlosen Kette von moralisierenden Appellen, die nichts bewirken, weder in die eine, noch in die andere Richtung – aber gut, dass wir darüber gesprochen haben.

Eine Politik mit erhobenen Zeigefinger fördert nicht die Integration von Zuwanderern, besonders dann nicht, wenn schon das eingefleischte, regionale Brauchtum selbst, nicht mehr mit den multikulturellen Vorstellung eines städtischen Politiker-Milieus vereinbar ist.

Der Kölner Karneval, wird mit solchen Appellen nicht weniger sexistisch. Die lautesten Lacher sind dem Büttenredner sicher, der die schlüpfrigsten Sprüche zum Besten gibt und was wäre der Gardeoffizier, wenn er nicht rufen könnte „tanz Mariechen tanz„. Das ist das Highlight einer  Karnevalskarriere, die Hebefigur des Gardeoffizier, nach oben blickend, die Hand im Schritt des Funkenmariechens.

Nix da mit Toleranz und Respekt – Verarschen ist angesagt, nach Strich und Faden und der Ruf „lekker Mädsche“ ist in Köln so sexistisch gemeint, wie er nur sein kann und die Kölner  Jungs „sin alle Räuver“ und lassen nichts anbrennen.  Was wäre das für ein rheinischer Karneval, wenn die Wiver nicht Schlips und Schnürsenkel kappen – eine polemische Replik auf die Kastrationsangst der Mannsbilder und wenn die Jungs nicht für jedes verschenkte Strüßje ein Bützchen abstauben könnten.

Karneval ist kein Fest von Respekt und Toleranz, Karneval ist sexistisch, satirisch und respektlos. Er zielt darauf ab Tabus zu brechen, Leute zu verhohnepipeln. Also, welches Tabu werden Sie heute brechen, wen werden Sie heute durch den Kakao ziehen?

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