Die Berichte der Medien sind oft ungenau und verzerrt, sie bieten manchmal eine ausgesprochen tendenziöse und ideologisch eingefärbte Weltsicht. Die in den Medien dargebotene Wirklichkeit repräsentiert in erster Linie Stereotype und Vorurteile der Journalisten, ihre professionellen Regeln und politischen Einstellungen, die Zwänge der Nachrichtenproduktion und die Erfordernisse medialer Darstellung. Sie lässt nur bedingt Rückschlüsse auf die physikalischen Eigenschaften der Welt, die Strukturen der Gesellschaft, den Ablauf von Ereignisse, die Verteilung der öffentlichen Meinung zu. (Winfried Schulz, Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien)
Vierzehn Tage sind vergangen seit den Anschlägen von Paris, die Toten sind begraben und die Medien haben das Thema von allen Seiten beleuchtet. Bleibt etwas übrig, nachdem Begriffe, wie Lügenpresse, Islamismus vom Qualitätsjournalismus abgearbeitet wurden und der Bundesverband der Zeitungsverleger, in einem Aufruf Stellung bezogen hat?
1968 hat die Studentenbewegung die Springerpresse, wegen ihrer Berichterstattung kritisiert, sie wurde als diffamierend und manipulierend erlebt. Rückblickend wird diese Tatsache nicht mehr bestritten. Damals riefen die linken Intellektuellen dazu auf die Bildzeitung zu boykottieren. Erfolg hatten sie damit nicht, mit einer Auflage von über 2 Millionen ist die Bildzeitung, auch heute noch Marktführer, gefolgt von Welt, SZ und FAZ, wenn auch mit rückläufigen Auflagewerten.
Damals regierte die erste Große Koalition. Heute sind es nicht Studenten, die die Presse beschimpfen und physisch attackieren, wie gestern in Leipzig; heute sind es rechts konservative Bürger der Mittelschicht, so die ersten oberflächlichen Analysen der Sozialwissenschaft, die von Lügenpresse reden und sich von den Medien, ins falsche Licht gestellt fühlen. Es gilt die Annahme:“egal, was wir sagen, sie schreiben doch, was sie wollen!“
Die Aversionen der Bürger sind so groß, dass direkte Kontakte zur Presse abgelehnt werden.
Dies ist nicht neu und kein typisch deutsches Phänomen, auch in anderen europäischen Ländern werden solche Erfahrungen beschrieben, z.B. in Italien, mit der Moviment 5 Stelle.
Hier hat die Presse Berlusconis bewusst, jede Berichterstattung der Bewegung boykottiert, was dazu führte, dass die Rolle des Internets und die sozialen Medien eine ganz neue Bedeutung, für die politische Öffentlichkeit Italiens bekommen hat und die Movimento 5 Stelle, um Beppe Grillo, selbst die Presse, bis auf ein Organ boykottiert.
So lange es Presse gibt, gibt diese Diskussion. Wie objektiv und fair die Berichterstattung ist, ist auch eine Frage der Wahrnehmung, quasi die gefühlte Berichterstattung. Redundant ist, dass die Presse eine Funktion im Räderwerk eines Gesellschaftssystems ausübt. Wir gehen davon aus, dass die Pressearbeit, in einem totalitären System, wie in Saudi-Arabien, eine andere ist, als in einem demokratischen System. Die eingebetteten Journalisten anders berichten, als unabhängige usw.. ARD und ZDF reklamieren für sich, auf hohem Niveau zu recherchieren und Qualitätsjournalismus zu produzieren. Es sind Zweifel angebracht, wenn man das Geschäft mit den Nachrichten kritische Revue passieren läßt und weiß das Nachrichten einen Verkaufswert haben.
Ein Journalismus im Spannungsfeld zwischen „only bad news is good news“ und „the nature of bad news infect the teller“, ist mehr denn je ein Abbild von Entscheidungen, für das eine oder andere, was ist plausibler und was verkauft sich nicht. Die länge der Textspalten ist kürzer geworden, es gilt: „weniger ist mehr“.
Wenn es heißt, Fakten, Fakten, Fakten, dann darf man davon ausgehen, dass es sich hierbei um keine Selbstauskunft, sondern um einen Werbeslogan handelt.
Die Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie sagen uns: Wahrnehmung unterliegt immer einer Interpretation und etwas gilt nur als gesichert, wenn sich ein Ergebnis, aus unterschiedlichen Perpektiven getestet, bestätigt, wie in der Mathematik die Gegenprobe.
Die Frage, ob die Presse lügt, Meinung macht bzw. Meinung manipuliert, darf man seriös untersuchen und das ist natürlich längst auch geschehen und etwas mehr Selbstkritik stünde dem aufgeregten Journalisten gut zu Gesicht. Der Begriff Lügenpresse ist scharfzüngig, aber nur getroffenen Hunde bellen. Ja, Nachrichten werden gemacht und konstruiert, sie haben eine Funktion und wie berichtet wird, hängt ab von den Glaubenssätzen des Autor, seinen Filtern, seiner Intention, die er bewusst oder unterbewusst einsetzt.
„Ein Journalist sollte sich nicht mit dem Thema gemein machen“, heißt es. Ein treffender Satz,
der realistisch wird, wenn der Journalist Selbstdistanz wahrt, sich weder vom Thema, noch von sich selbst, vereinnahmen lässt. D.h., mir nichts gefallen zu lassen und am wenigsten von mir selbst, gilt auch für meine Texte in meinem Blog. Ist quasi meine eigene Selbstverpflichtung und wenn es mir das nicht gelingt, dann weil mich mein Ego, wieder einmal ausgetrickst hat und ich mich selbst zu wichtig nehme.
Journalisten sollen aufklären und mir stinkt der Kampagnenjournalismus, der Gesinnung verkauft statt Informationen. Der Nachrichtenwert geht gegen Null! Wie am folgenden Beispiel illustriert, dabei geht es um den Text, zu einem Bild, der beim Besuch der Kanzlerin vor dem Elysee. anlässlich des Trauermarschs, für die ermordeten Redakteure von Charlie Hebdo in Paris, entstanden ist. Das Bild zeigt die Kanzlerin und den Präsidenten Frankreichs, während sie sich begrüßen. Die Hand des Präsidenten ruht auf der rechten Schulter der Kanzlerin, sie mit geschlossenen Augen, leicht zur rechten Schulter des Präsidenten gebeugt, sein Blick von ihr abgewendet, in den Raum gerichtet. Was macht daraus der Journalist, Johan Schloemann? Er schreibt: „Die Frau, vor der sonst viele in Europa Angst haben, hält inne und wird zur Pièta.“ (Süddeutsche Zeitung vom 13.01.2015, Gesten für die Geschichte)
Wie bitte, zu was wird die Kanzlerin? Mir wird schlecht, wenn ich mit solchen Blödsinn konfrontiert werde und ich muss unweigerlich spucken. Was macht der Schloemann aus einer Fraktion einer Momentaufnahme, er stilisiert sie und fügt etwas hinzu, was seiner Phantasie entspringt und mit der Situation nix zu tun hat. „Das Bildnis ist so schön“, möchte man da singen und fragt sich, wie die SZ Redaktion gepolt sein muss, so etwas zu veröffentlichen. Gibt es keine Selbstkontrolle mehr bei der SZ? Und es kommt noch schlimmer, im Weiteren schreibt Schloemann: dieses Bild bringt „eine Mischung aus Erschöpfung und Bestärkung, die Menschen in der Totenklage verbindet“ zum Ausdruck. Wenn man sich das Original von AFP anschaut, dann fragt man sich allein eines, wo war der wegschauende Präsident, mit seinen Gedanken und wer wird hier getröstet, die Kanzlerin oder der Präsident? Aber das ist auch schon viel zu viel Kaffeesatzleserei, völlig unangemessen und uninteressant, keine Nachricht wert, wenn dann nur suggestive Stimmungsmache.
Wenn Journalismus so plump daher kommt, so platt, wird es zur Zumutung, das Lesen bereitet Schmerzen; man möchte die Bilder abschütteln, was so eben die Netzhaut kontaminierte. Ein böser Traum. Ich wehre mich gegen diese Formen des Gesinnungsjournalismus, der Hof hält, statt die Macht unter die Lupe zu nehmen. Das ist ein Journalismus, der Parolen propagiert und sich nicht von Propaganda unterscheidet. Der eine Absicht hat, der suggestiv und nicht mehr beschreibend ist.
Wer beklagt das pauschalisiert wird, sollte nicht selbst pauschalisieren; wer nicht diffamiert werden will, sollte …. usw. Ein Journalismus der Sexismus kritisiert, aber sexistisch ist, der pauschalisiert und diffamiert, während er klagt pauschal diffamiert zu werden, ist wenig glaubhaft. Wenn der blinde Fleck so groß ist, macht sich Journalismus überflüssig, dann ist sein Geschäft, das erzählen von Märchen und die Zeit Mythen zu erzählen, hat wenig mit Aufklärung zu tun.
Das Wort Lügenpresse hat kein Copyright und die Tatsache, dass die deutsche Sprache in Gänze von den Nationalsozialisten kontaminiert wurde, macht Worte nicht zu Unworten. Lügenpresse beschreibt überspitzt eine Qualität, die bei den Boulevardblättern nicht bestritten wird, wie z.B. bei der Bild. Was soll also bitte diese Aufregung und Kampagne?
Der böhmische Journalist Karl Kraus hat in seiner Kritik am Journalismus der wilhelminischen Zeit, viele Worte benutzt um, die Rolle der Presse zur damaligen Zeit zu beschrieben. Er nennt sie „Journaille“, „Tintenstrolche“, „Fanghunde der öffentlichen Meinung“, „Preßmaffia“, „Preßköter“. Thomas Mann sagt über Karl Kraus: „(..) und die geistreiche Leidenschaft, mit der er, in seinen eigenen so scharf und rein stilisierten Schriften, die großen Grundsachen des Lebens, Krieg, Geschlecht, Sprache, Kunst, gegen Schändung und Verschmockung, gegen die Welt der Zeitung, gegen die Zivilisation verteidigt,– auch sie hat etwas Geistliches, etwas Religiöses, und wer den Gegensatz von Geist und Kunst, von Zivilisation und Kultur irgendwann einmal begriffen hat, der wird sich von dem satirischen Pathos dieses Antijournalisten nicht selten sympathisch mitgerissen fühlen.“
Wenn unser öffentlicher Auseinandersetzung, wie in Godwin’s Law beschrieben endet, dann können wir die Debatten auch gleich sein lassen, dann wird Selbstzensur zur alles bestimmende Tonlage.
Ich freue mich über jeden guten Text, der mir die Welt näher bringt, sie erklärt, der mich als denkenden und mündigen Leser anspricht, mir das Resumé überlässt und mich nicht mit Plattitüden versucht abzuspeisen.