Nachlese zur #didacta oder 35 € fürs Phrasenschwein

„Parkour der Möglichkeiten im Klassenzimmer“; „ko-kreativer Unterricht“; „Partner im Bildungsprozess“; „Digitale Medien flankieren den Lernprozess“; „interaktive Prozesse“; „individuelles, selbstorganisiertes Lernen“ //
Herr Oppermann, bitte 35 Euro ins Phrasenschwein.
(Martin Schmidt in der FAZ)

Heute endet in Hannover die #didacta, Wassilios Fthenakis hat in seiner Eröffnungsrede für den Einsatz digitaler Medien eine Lanze gebrochen und im Netz werden die Mythen zum Thema Bildung diskutiert. In einschlägigen Lehrerblogs demontieren sich die Gegner und Befürworter.

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Praxis Schule: Das Klassenzimmer der Zukunft II

Der Raum – als Dritter Pädagoge

Wie sollte die Schule, das Klassenzimmer der Zukunft aussehen?  Der Hamburger Journalist Reinhart Kahl hat in seinem viel zitierten Film Treibhäuser der Zukunft, dokumentiert wie Schule gelingen kann und dieses an vielen Beispielen aus dem deutschsprachigen Raum belegt. (Archiv der Zukunft).

Wäre es nicht Zeit neben dem alljährlich vergebenen Deutschen Schulpreis, einen Preis auszuloben für das Klassenzimmer der Zukunft?  Wie wird das Klassenzimmer im 21.Jahrhundert aussehen? Was wurde erprobt und was haben die Schüler dazu beigetragen?  Es gibt Schulgebäude, die Architekten gemeinsam mit Schülern und Lehrern entwickelt haben, solche Schulen haben nichts mehr mit den Anstalten aus dem 19. und 20. Jahrhundert gemein. Schulen sollten Ort der Begegnung, Räume der formalen und informellen Kommunikation, Werkstätten des Lernens und Treibhäuser sein.

Die Erkenntnisse der Ergonomie galten schon am Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Schülerpult war höhenverstellbar und erst in den 30iger Jahren  wurde es im Kometenschweif der Bauhausbewegung, vom rechteckigen Mobiliar im Einheitsmaß ersetzt und blieb bis Heute Standard.  Schüler und Lehrer werden in der Nutzung der Einrichtung auf eine Funktionalität hin reduziert, d.h. das Klassenzimmer ist monofunktional.

Den Einkauf und die Einrichtung bestimmen nicht der Lehrer und die Schulleitung, sonder die kommunalen Sachbearbeiter der Verwaltung. Der Einkauf erfolgt in Discountermentalität und berücksichtigt an keiner Stelle die Bedürfnisse der Schüler und Lehrer. Gekauft wird nach Kassenlage und auf der Basis von langfristigen Rahmenverträgen mit Möbelherstellern. Die Tische sind robust und haben eine Lebensdauer von 10 Jahren und darauf kommt es an.

In den letzten 5 Jahren hat der Paradigmenwechsel auch die Herstellern von Schulmöbeln erreicht,  sie setzen auf das bewegte Klassenzimmer und haben die Ergonomie wiederentdeckt und zur Produktpalette gehören jetzt auch die in der Höhe verstellbaren Stühle und Tische (ScuolaBox). Wie kann Schule gelingen, allein über neue Anwendungen und neue Inhalte? Was sind die unterstützenden Elemente für das erfolgreiche Lernen? Welche Strukturen braucht das Lernen? Wie herausfordernd und wie langweilig darf es und muss es sein? Wüste oder Wald -, Strand oder Markt?

Statt mono- sollte das Klassenzimmer der Zukunft multifunktional sein und den unterschiedlichen Lerngewohnheiten bzw. Lernbedürfnissen der Schüler gerecht werden. Wenn wir den unterstützenden Kontext des Lernens weiterhin vernachlässigen, nutzen wir eine wichtige  Stellschraube nicht, mit der wir die Lust am Lernen positiv beeinflussen können.

Zurzeit sind es einzelne Lehrer/innen die in beeindruckender Weise den Alltag in Schulen reformieren. Die Beratungsresistenz von Politikern und Verantwortlich ist skandalös, insbesondere wenn sie in wohlfeilen Sonntags-Reden, wieder und wieder, die Bildung sakrosant beschwören und gleichzeitig die Augen vor den notwendigen und anstehenden Änderungen verschließen.

The Class Room of The Future: How would it look like?

Die Kreidezeit ist vorbei. Lernen ist nicht mehr allein am Lehrer orientiert. Optimales Lernen ist das Ergebnis einer optimalen Lern-Architektur. Neben Kreidetafeln gewinnen interaktive Tafeln für den Unterricht mehr und mehr an Bedeutung. Was Not tut, ist ein Paradigmenwechsel in den Kultusministerien, Schulbehörden und der Verwaltungen. Inzwischen sprechen wir vom digitalen Klassenzimmer und den iPad-Klassen. Manche sehen die Zukunft der Schule im virtuellen Klassenzimmer. (What will classrooms look like in the future? QuoraJetzt schon bestehen im weltweiten Netz Lernplattformen, die die bisherige Form von Schule zur Diskussion stellen.

Foto via Homepage VS

Wird zukünftig der in der Höhe verstellbare, flexible und mobile Tisch und Stuhl zum  Standardmöbel? Heute steht die Selbstorganisation und Kooperation der Schüler im Zentrum didaktischen Handelns. Schüler entscheiden zukünftig selbst, ob sie sitzend oder stehend dem Unterricht folgen.

Dem interaktiven Schülerarbeitsplatz gehört die Zukunft. Forschungsergebnisse der LMU München  belegen, welchen Einfluss die Einrichtung des Klassenzimmers auf unser Lernverhalten hat. (Klassenzimmer der Zukunft  PDF). Kreativität und  Konzentrationsvermögens werden positiv beeinflusst.

Das Klassenzimmer der Zukunft besteht aus Lern-Inseln,  weil Jeder Schüler anders lernt und nie alle das Gleiche tun. Der Raum ist so eingerichtet, dass  Einzel- und Gruppenarbeit möglich ist, akustische Paravents sorgen für die nötige Modulation der Raumgeräusche. Die Möbel sind leicht um zu stellen und können so dem Lernprozess entsprechend genutzt werden.  Selbstorganisation statt Frontal-Unterricht.  Neben dem individuellen Schülerarbeitsplatz gibt es die Computertische für die Arbeit im Web, an anderer Stelle die Hardwarebasis für den Drucker, dort das interaktive Board, neben der Kreidetafel, für ein gemeinsames Brainstorming. Der Leher hat einen festen Arbeitsplatz, eine mobile Box, sein Rüstzeug muss er nicht von Klassenzimmer zu Klassenzimmer tragen. Die Box dient als Stehpult und Stauraum, für persönliche Sachen. Er ist bereits vor dem Schüler an seinem Arbeitsplatz, er ist ansprechbar für Fragen der Schüler und verfolgt die Lernprozesse, kontrolliert die Lernziele, die er mit den Schülern zuvor verabredet hat, überprüft die gestellten Anforderungen an die Schüler, auf ihre Relevanz und Wertigkeit für unser Gemeinwesen, dokumentiert die Ergebnisse und schafft die Rahmenbedingungen für die Präsentation der Lernergebnisse der Schüler. Der Lehrer hat einen Arbeitsplatz an dem er 8 Stunde arbeiten kann, der flexible Stuhl bitte die Möglichkeit zum Relaxen.

Learning by Design3624_01_mainboard

In Deutschland gibt es 60.000 Schulen und es ist noch ein weiter Weg, bis alle Schulen der Arbeitsstättenverordnung von 2004 und der EU-Richtlinie von 1992 entsprechen. Schüler und Lehrer haben das Recht auf einen gesunden und menschenwürdigen Arbeitsplatz, sie müssen den Angestellten im Büroalltag gleich gestellt werden.

Ein Manager von Steelcase aus Rosenheim, die die Studie an der LMU förderte, meinte: „solang kein Gerichtsurteil die Kommunen dazu zwingt, dass auch der Lehrer- und Schülerarbeitsplatz den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 für Büros und der Eu-Richtlinie von 1995 entsprechen muss, wird sich in Deutschland nichts wesentliches verändern!“ und weiter, „die Klage müsste von Eltern auf den Weg gebracht werden, weil ihre Kinder einen gesundheitlichen Schaden erleiden, weil sie auf unangemessenem Mobiliar sitzen.“ (Anm.: Das Robert Koch Institut geht davon das 24% der Kinder in Deutschland im Alter von 11 – 17 Jahren an Rückenschmerzen leidet.)

Arbeitsstättenverordnung 2004

Die Forderung nach menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hatte sich schon die Schüler- und Lehrerbewegung Ende des 20.Jahrhunderts auf die Fahnen geschrieben. Schon damals war für die Schulträger Gesundheitsschutz in der Schule ein Fremdwort. Für die Fortschritte der Globalisierung litten tausende von Schülern und Lehrern unter den katastrophalen gesundheitlichen und baulichen Bedingungen.

Heute gibt es – zumindest in Europa – Gesetze und Verordnungen, die bis ins Detail den Schulträgern vorschreiben, wie das Umfeld für Schüler und Lehrer  zu gestalten ist. Egal, ob Baustellen oder Büros, die Arbeitsstättenverordnung legt EU weit die Rahmenbedingungen für menschenwürdige Arbeitsplätze fest.

Im Mittelpunkt der Verordnung über Arbeitsstätten von 2004 stehen die räumlichen, sicherheitstechnischen und hygienischen Weisungen.

Der Schulträger muss dafür sorgen, dass die Klassenzimmer ausreichend hoch sind und entsprechend belüftet werden können, sodass ein angenehmes Raumklima gewährleistet ist. Im Winter muss ausreichend geheizt werden können. Ferner schreibt die Verordnung eine „ausreichend große Bewegungsfläche“ rund um den Arbeitsplatz und „möglichst Tageslicht“ vor. Auch für Schüler und Lehrern, die keine festen Klassenzimmer haben, muss der Schulträger geeigneten Räum für Pausen schaffen.

Jeder Schüler und Lehrer hat ein Anrecht auf eine eigene abschließbare Kleiderablage, die aber nicht gleichzeitig für die Aufbewahrung der Schuluniform dient. Das Mobiliar soll, laut Verordnung, aus Stühlen mit Lehnen bestehen sowie Tischen, die ergonomisch und mobil sind.

 

Praxis Schule: Das Klassenzimmer der Zukunft I

Der Raum – der Dritte Pädagoge

Frankfurt, den 15. November 2012, ein trüber Herbsttag über der Rhein-Main-Ebene. Über Tisch und Bänke realisiert sich das Chaos. Schüler fühlen sich eingeladen oder abgewiesen. Räume regen an oder stören. Langeweile ruft nach Ersatz; Störungen provozieren Widerstände. Wieso sollten sich Schüler in Schulen wohlfühlen? Qui bono? Ist das wieder so eine der vielen endlosen Diskussionen über die Zukunft des deutschen Bildungssystems? Allerorts melden sich Experten zu Wort und was ist neu? Der Hirnforscher Gerald Huether aus Göttingen sagt: „Wir haben kein Problem mit der Erkenntnis, sondern mit der Umsetzung!“

Albert Anker Die Dorfschule um 1848 Kunstmuseum Basel

Blicken wir auf das bundesdeutsche Schulsystem, dann schauen wir nicht in die Zukunft, sondern ins 19. und 20. Jahrhundert. Gegenüber dem Philosophen Richard David Precht sagt Gerald Huether voraus, dass sich unser Schulsystem in den kommen 5 – 6 Jahren grundlegend ändern wird. (Macht lernen dumm?) Ist das so? Wer beißt hier wen? Der Mann den Hund, oder vice versa?

Bei den global Playern, der Telekommunikation oder der Autoindustrie ist es usus, jeden Tag Projekte und System weltweit zu synchronisieren, d.h. überflüssige Redundanzen zu verringern, ohne dabei die Diversität zu nivellieren, um die Efficiency zu steigern. Mit Unterstützung der Algorithmen von  SAP aus Walldorf sind Systeme kompatibel. Es gibt keinen Bereich des Wirtschaftsleben wo Efficiency nicht gefragt ist, denn Aufwand und Ertrag stehen im Fokus. Im deutschen Bildungssystem versteht man unter der Steigerung der Efficiency, nicht die Verbesserung der Statik des Bildungssystems, sondern, wie im Bologna-Prozess geschehen, die Angleichung der Studienzeiten, weil parteipolitisch motivierte  Bildungspolitiker meinen die Vergleichbarkeit von Abschlüssen müsse die Zielrichtung der Reform sein. Doch was nehmen wir wahr, eine Nivellierung auf Kosten der Qualität und eine steigende Anzahl von Lernenden, die im System entmutigt werden.

Als ob ein Orchester besser spielt, wenn alle Instrumente, aus dem gleichen Holz geschnitzt werden. Statt die Kompatibilität der Strukturen zu verbessern, wird an der Zeitschraube gedreht, als ob die Leistung eines Orchester gesteigert wird, wenn die Partituren gekürzt und schneller abgespielt werden. Wer beißt hier wen? Die Statik und Struktur des Bildungssystems wird vernachlässig. Bei der Finanzierung der Ausstattung des Bildungssystem herrscht eine Discounter Mentalität.

Heute wird eine durchschnittliche Küche in Deutschland hochwertiger ausgestattet, als ein deutsches Klassenzimmer. Die Einrichtung eines kompletten Klassenzimmer für 30 Schüler kostet um die € 8,000 und ist auf 10 Jahre angelegt. Die Ausstattung der Bildungsräume wird vernachlässigt, weil der politische Wille fehlt an dieser Stelle hochwertig und nachhaltig zu handeln. Krippen werden mit Obstkisten und billig Möbeln eines schwedischen Möbelhauses bestückt und so geht es weiter bis hinauf zu den Hochschulen. Das was heute technisch und methodisch möglich ist finden wir nicht an der Standorten unseres Bildungssystems wieder gespiegelt.

In keinem Wahlprogramm einer deutschen Partei finden sich konkrete Zahlen darüber, wie viel Euro pro Schüler im Jahr an Ausstattung investiert werden sollen. Jedem Schüler ein iPad, jedem ein ergonomischer Schülerarbeitsplatz? Wieso sollte sich eine dynamische Gesellschaft, wie unsere das nicht leisten können?

Was soll ein Schüler können, wenn er die Schule verlässt und in einem Berufsfeld tätig sein soll, dass auf seine Sachverstand, seine Kreativität, seine Lösungskompetenz und seine Teamfähigkeit setzt? Schulen, Klassenzimmer sind Orte der Entdeckung und Weiterentwicklung von Fähigkeiten und Kulturräume, Werkstätten unterschiedlich lernender Menschen. Von der Krippe bis hin zur Hochschulen weiß die rechte Hand nicht was die Linke tut. Die Übergänge von einem zum anderen sind nicht geschmeidig, sondern reich an Hindernissen und Grund für elterlichen bzw. kindlichen Frust.

Heute ist lebenslanges Lernen in aller Munde. Moderne Unternehmen werden als lernenden Organisation verstanden und betreiben ein anspruchsvolle Wissensmanagement, um das Know-how zu fördern. Ob nun die Pisastudien oder andere vergleichende Studien der OECD, das deutsche Bildungssystem gilt nicht als Beispielhaft.

Lernen und kooperieren ist uns angeboren, wir können nicht Nichtlernen. Was wir brauchen sind geeignete Räume, Oberflächen zum Üben. Mit der Lust am Lernen sagt Leonardo da Vinci, ist es wie mit dem Appetit, man kann den Geschmack daran verderben.

Ein Hausbesuch reicht, ein Blick in die Flure und Klassenzimmer, in die Anordnung der Tische und Stuhlreihen, um sich ein Bild zu machen, unter welchen Umständen Schüler lernen und Lehrer/innen arbeiten müssen. Hier gelten die Erkenntnis und auch all die deutschen Arbeitsplatz-Richtlinien nicht, die in jedem Büro eingehalten werden müssen.

Der Arbeitsplatz des Lehrers, das Lernumfeld der Schüler genügt keinen ergonomischen Standards.Die Berufsunfallversicherungen vernachlässigen hier die Kontrolle der staatlich geführten Schulen. Die Schüler werden vor die Lehrer platziert, wie Hühner in einer Legebatterie, ungeachtet ihrer individuellen Körpermaße, sie sitzen stundenlang  auf und an falschem Mobiliar. Die Rückenmuskulatur wird geschwächt statt gestärkt und die Warnungen von Orthopäden werden überhört.  Die robusten Tische stehen wie Hindernisse zwischen dem Lehrenden und Lernenden, die Verkehrswege sind Fluchtwege und nicht die Verbindungswege zum Austausch von Lerneinheiten unterschiedlicher Funktionalität. Das damit projizierte Bild des Schülers. ist das von Schülern, deren Lernbedürfnisse gleich geschaltet und die über einen Kamm geschoren werden. Schulen sind Parkhäuser für Schüler, das Klassenzimmer mono-funktional und weit entfernt eine Werkstatt des Lernens zu sein. So bleibt die Arbeit von Lehrern und Schülern weit unter ihren Möglichkeiten.

Die Verantwortlichen Politiker auf der Ebene der Kultusministerkonferenzen, der Ministerien und Schulämter verschwenden Ressourcen. Die Steigerung der Kompatibilität wird vernachlässigt, sie steht nicht an oberster Stelle der ideologisch geprägten Agenda. In Bildungsplänen wird den Erziehern mit auf den Weg gegeben, die Kinder als co-kreative Partner im Bildungsprozess zu verstehen, doch dies wird ad absurdum geführt, wenn nicht gleichzeitig auch die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung diese Erkenntnis bei der Umsetzung von Bildungspolitik beachten.

Das Schulamt ist nicht Besitzer des Gebäudes und somit nicht für das Schulhaus und die Einrichtung der Klassenzimmer verantwortlich. Die Ausstattung und Beschaffung ist Angelegenheit der einzelnen Kommunen vor Ort. Schulen sollten dies eigenverantwortlich bestimmen und die Mittel dafür direkt zur Verfügung gestellt bekommen.

Kein Amtszimmer eines Bürgermeisters, der über eine Verwaltung von 800 und mehr Mitarbeitern regiert, ist in einem so jämmerlichen Zustand. Blicken wir ins Klassenzimmer, fangen wir an bei der Belichtung und gehen hin zur Akustik, nichts davon entspricht den europäischen Richtlinien für die Gestaltung eines menschenwürdigen Arbeitsplatzes.  Wieso darf und kann das in deutschen Schulen so fahrlässig vernachlässigt werden? Qui bono? Letztendlich sind unter diesem Licht die hohen Ausfallzeiten von LehrerInne auch nicht verwunderlich, sondern eher die logische Konsequenz eines nachlässigen Schulmanagements.

Praxis Schule: Design by Learning

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Die Schule der Zukunft: Design by Learning

„Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft.“ Leonardo da Vinci

eine Diskussion führte der Philosoph David Precht mit den Neurobiologen Gerald Hüther im ZDF Macht lernen dumm?, am 2.Sep.2012

Göttingen, Gerald Hüther, renommierte Neurobiologe, Hirnforscher und Bildungskritiker, fordert die deutschen Bildungspolitiker auf, unser Schulsystem auf den Prüfstand zu stellen. Denn die Schule, wie wir sie kennen, ist am Ende. Die falschen Leute bringen unseren Kindern die falschen Dinge nach den falschen Methoden bei. Dabei wisse die Hirnforschung heute viel besser, was Lernen ausmacht und was Bildung gelingen lässt. Denn Bildung, so Hüther, ist etwas anderes als das Auswendiglernen von Mathe, Englisch und Deutsch.

„Ohne Gefühl geht gar nichts“  Gerald Hüther

Doch was steht einer dringend notwendigen, umfassenden Bildungsrevolution im Weg? Warum ist unser Bildungssystem so wenig lernfähig? Warum bringen wir unsere Schulen und Hochschulen nicht auf die Höhe unseres Wissens über das Lernen?

Vielleicht liegt es daran, dass ein völlig verändertes Bildungssystem, das nicht nur jedem eine gerechte Chance gibt, sondern kreative, eigenständige und unbequeme Persönlichkeiten hervorbringt, zugleich eine ganz andere Gesellschaft voraussetzt oder entstehen lässt? Das jedenfalls meint Richard David Precht.

Es gibt mindestens zwei Ebenen des deutschen Schulsystems das grundsätzlich reformiert werden müsste. Einmal die Ebene des methodischen Vorgehens und die Ebene der strukturellen Lern-Architektur, eingerahmt von einem systemsichen Ansatz der Bildungspolitik. Es ist das System das in erster Linie eine weiter Entwicklung erfahren sollte und dann die handelnden Personen. Die Partnerschaft zwischen Schülern und Lehrern braucht eine neue Basis und neue Verabredungen. Der systemische Ansatz ersetzt den stupide frontalen Unterrichten des Lehrers durch die Kunst des co-operativen Lernens, die schon an vielen Schulen praktiziert wird und sich in der Praxis bewährt hat. Die Lern-Architektur, der Raum wird zur Werkstatt des Lernens, das mono-funktionale, rechteckige Klassenzimmer wird durch einen multifunktionale Raum ersetzt, der unterschiedlichen Lerninhalten entsprechen geformt und ausgestaltet ist. Nicht dahin platzierte Möbel, die wie Barrikaden den Raum teilen bestimmen die Lust am Lernen der Schüler, der Schüler selbst bestimmt, wie er und mit was er lernt, sitzend oder stehend. Der Arbeitsplatz des Lehrers ist definiert in einer Lernlandschaft, deren Architektur, die Schwerpunkte des Lehrers, seine Talente widerspiegeln und der sich der Schüler, neugierig mit seinen Bedürfnissen stellt und den Input des Lehrers nutzt, um sich weiter zu entwickeln.

Das Klassenzimmer besteht aus Lern-Inseln. Weil jeder Schüler anders lernt und die Gleichschaltung von Lernphasen, durch die gemeinsame Synchronisation im Forum ersetzt wird, sind die einzelnen Lern-Inseln deutlich gekennzeichnet. Hier der Platz für den Input durch den Lehrer, dort der Platz für die Arbeitsgruppe, hier der individuelle Arbeitsplatz für den Schüler, dort der Computertisch für die Arbeit im Web, an anderer Stelle die Hardwarebasis für den Drucker, dort das interaktive Board, neben der Kreidetafel, für ein gemeinsames Brainstorming. Der Leher hat einen festen Arbeitsplatz, sein Rüstzeug muss er nicht von Klassenzimmer zu Klassenzimmer tragen, er ist vor dem Schüler an seinem Arbeitsplatz, er ist ansprechbar für Fragen der Schüler und verfolgt die Lernprozesse, kontrolliert die Lernziele, die er mit den Schülern zuvor verabredet hat, überprüft die gestellen Anforderungen an die Schüler, auf ihre Wertigkeit für unser Gemeinwesen, dokumentiert die Ergebnisse und schafft die Rahmenbedingungen für die Präsentation der Lernergebnisse der Schüler.

„Vision is more than knowledge“ Albert Einstein

Das ist keine Utopie, sondern eine an vielen Orten praktizierte Wirklichkeit, wenn der Klassenraum nicht mehr nur Obdach dem Schüler bietet sondern Spiegel eines dynamischen Lernprozesses wird. Wo Lehrer und Schüler eine Partnerschaft leben, die Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt rücken und die Vielfalt der Schüler nutzt um Talente und Defizite miteinander zu verbinden.

Beobachte das Schwimmen der Fische im Wasser und du wirst den Flug der Vögel in der Luft begreifen. Leonardo da Vinci

Die deutsche Bildungspolitik ist von einer Sturheit infiziert, die sich jeder strukturellen Neuerung aus ideologischen Vorbehalten widersetzt. Seit 2005 versuche ich das Thema, „Das Klassenzimmer der Zukunft“, an die Schulen zu tragen und stoße außer wohlfeiles Schulterklopfen in den Lehrerzimmern  nur auf Lethargie und ein unerträgliches Phlegma. Als ob Moses auf dem Sinai, ein göttliches Gebot erhalten und speziell den Deutschen, ganz persönlich ausgehändigt hat: Lieber blöd, als begeistert. Die deutschen Schüler sind mit dieser Bildungspolitik, die sich noch nicht von ihren faschistischen Wurzel getrennt hat, bestraft und gleichzeitig unterfordert. Jede schlechte Note letztendlich ein Aufschrei eines Schülers der sich unterfordert fühlt, jeder Abbrecher ein “Widerstandskämpfer” der gegen ein System opponiert, das ihn nicht als co-kreativer Partner akzeptiert. Kein Schüler lernt nicht, lernen ist uns angeboren, wir können gar nicht, nicht lernen. Mit dem Lernen ist es wie mit dem Essen, man kann einem den Appetit verderben, so sagte das schon vor 500 Jahren Leonardo da Vinci.

„I Pencil“, einem sehr lesenswerten Essay von Leonard E. Read entsammt folgendes Zitat.

The lesson I have to teach is this: Leave all creative energies uninhibited. Merely organize society to act in harmony with this lesson. Let society’s legal apparatus remove all obstacles the best it can. Permit these creative know-hows freely to flow. Have faith that free men and women will respond to the Invisible Hand. This faith will be confirmed. I, Pencil, seemingly simple though I am, offer the miracle of my creation as testimony that this is a practical faith, as practical as the sun, the rain, a cedar tree, the good earth.

Leonard E. Read (1898-1983) founded FEE in 1946 and served as its president until his death. „I, Pencil,“ his most famous essay, was first published in the December 1958 issue of The Freeman. Although a few of the manufacturing details and place names have changed over the past forty years, the principles are unchanged.

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