Eine Allegorie: Die barmherzige Fußwaschung!

Reuters JMB 2007
Reuters JMB Gründonnerstag 2007

Ein Bild sagt mehr, als 1000 Worte

Am Gründonnerstag im Jahr 2007, irgendwo in Buones Aires, der knieende J.M.Bergoglio, umringt von Fotografen, die die Szene aus jedem Winkel festhaltend -, wäscht und küsst die Füße eines Kranken. Das hier verwendete Bild der Agentur Reuters, drückt aus, was in seiner Komposition und mit seiner Chromatik, das Zeug hat, zu einer Allegorie der Barmherzigkeit des neuen Pontifex. Es ist kaum anzunehmen, dass der Fotograf bei dieser Aufnahme die Federzeichnung der Fußwaschung (Mandatum) von Jesus, von Rembrandt, aus dem 17. Jahrhundert im Kopf hatte.

Du könntest meinen die Berichterstattung der letzten Tage aus Rom, wird von einer tiefen Sehnsucht nach ehrlicher Barmherzigkeit getrieben. Wort und Tat des neuen Pontifex sollen identisch sein -, ich assoziere und frage mich, ob hier einer Überhöhung Vorschub geleistet wird, die unerbitterlich zu Enttäuschung führt über sein Pontifikat. Die Bilder sind neu und anders. Ein Papst der umarmt, redet, wie der Seelsorger, der an die Tür klopft und dir einen guten Appetit wünscht. Wir-Sehen-Uns-Haltung!

Eine Steigerung dieser Überhöhung wäre, wenn im Herbst das Nobelkommité in Oslo dem Pontifex den Friedensnobelpreis 2013 zu erkennt. Quasi als Ansporn für sein Pontifikat, wie einst für Barack Obama’s Friedenspolitik, die heute im Drohnenkrieg Gestalt bekommt.

Die Erwartungen an den Papst sind krass und populistisch. Solche ein Abbild hat einen Beigeschmack, der mir einen Schauer über den Rücken jagt, denn was wird da von einem Mann in den 80iger Jahren seines Lebens erwartet und was von einer Institution die Veränderung a priori zurückhaltend gegenüber steht?

„Es gehört zu den Missverhältnissen des Medienzeitalters, dass sich die Hoffnung der Menschen zunehmend auf Einzelne richtet, auf die Heiligen des Welttheaters – ohne dass die den Lauf der Welt tatsächlich ändern könnten. Wie viele Divisionen hat der Papst? Die hämische Frage Stalins lässt sich weitertreiben: Was soll der demütige Mann in Weiß denn tun, wenn Finanzströme und Informationen um den Globus jagen, die Menschheit ihre Ressourcen frisst, Arm und Reich auseinanderdriften und der Einzelne in der anonymen Schwarmintelligenz des elektronischen Netzes verschwindet? Was soll er ändern, wenn die Mehrzahl seiner Gläubigen sich nicht einmal mehr ans Freitagsfasten hält (…) ?“ [SZ, vom 17.03.2013, Kommentar von Matthias Drobinsky]

Meinen all‘ jene, die jetzt im Übermut die Schlichtheit des neuen Pontifex feiern, wirklich, dass unter dem CEO Francesco die Gruppo Cattolica zu einer Kirche der Armen wird?

„Eine arme Kirche, eine Kirche der Armen!“

Rembrandt Hermensz van Rijn, 1653-1658, 15,6x22 cm, Federzeichnung, Rijksprentenkabinet A'dam
Rembrandt Hermensz van Rijn, 1653-1658, 15,6×22 cm, Federzeichnung, Rijksprentenkabinet A’dam

Zwei Richterinnen, zwei Urteile

Sicherungsverwahrung ist nicht gleich Gefängnis:
zwei unvergleichliche Urteile

Auf der nördlichen Halbkugel sind in der vorletzten Woche, des Ferienmonats August d.J. zwei beispiellose Urteile gefällt worden. Eins in Moskau und eins in Oslo. Ersteres, gilt Vielen als zu drastisch und letzteres, halten viele, insbesondere in der angelsächsischen Welt,  für all zu liberal.

Zwei Richterinnen, zwei gegensätzliche Urteile im Namen des Volkes. Eine verließt 3 Stunden stehend ihr Urteil, die andere 7 Stunden sitzend. Die eine ist, schmucklos und ungeschminkt, für die Weltöffentlichkeit visuell greifbar, die andere ist, mit Gold beringten und rot lackierten Fingern, zu ihrem Schutz für die Weltöffentlichkeit unsichtbar.  Beide sind in den 60iger Jahren aufgewachsen und in den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts ausgebildet worden. Beide Urteile wollen die geschundenen Seelen der Öffentlichkeit befriedet und heilen.

In einem werden die Täterinnen, für 30 Sekunden Unsinn im Kirchenraum, mit 2 Jahren Lagerhaft und im anderen Urteil der Täter, für 77 politisch motivierte Morde mit 21 Jahren Haft bestraft. (Der Bundesstaat New York würde den Verurteilte, bei der Bemessung der Strafe zu mindestens 77 x 21= 1617 Jahren Haft verurteilen!)

Beide Urteile gehen im Prinzip davon aus, dass nach Ablauf der Strafe die Taten damit gesühnt sind. In beiden Fällen leiden die Verurteilten unter einer narzisstischen, dissozialen Persönlichkeitsstörung. Im Prinzip haben die Verurteilten, nach Verbüßung der Strafe, das Recht auf Resozialisierung und eine zweite Chance.

Für die Einen mag das zu recht gelten. Doch für den Anderen, verhöhnt nicht das Urteil von Oslo und die damit implizierte Möglichkeit der Freiheit, für den Verurteilten, die Ermordeten und überlebenden Opfer? Sicherungsverwahrung heißt nicht Gefängnis. Wie wird diese in 20 Jahren ausgestaltet sein? Die Überlebenden, werden dann 20 Jahre älter und von den Folgen ihres nicht enden wollenden Leidens gezeichnet sein, manche nicht mehr leben, manche an den Folgen zerbrochen, weil sie unter Umständen den Freitod gewählt haben und für die überwiegende Mehrheit, wird das Leiden bis in die nächste Generation fort dauern. Das Urteil beendet allein die juristische Auseinandersetzung und seine heilende Wirkung wird zeitlich begrenzt sein.

Der, für immer wieder im Zyklus von fünf Jahren, in Verwahrung genommene, kann für sich in Anspruch nehmen, human behandelt zu werden. Er kann und darf vor dem europäischen Gerichtshof dies einklagen. Wenn er vorgibt geläutert zu sein, wird er auf sein Menschenrecht pochen, um eine humane Chance auf Resozialisierung zu bekommen, immerhin ist der Täter dann im 60igsten Lebensjahrzehnt! Aber das ist dann eine andere Geschichte! Ist es das, was die norwegische Gesellschaft wirklich will? Die Tat vom 22. Juli 2011 hat Norwegen die Grenzen seiner liberalen und humanen Gesellschaft und seines Strafrechts offenbart. Der wahnsinnige Täter, so paradox, so pervers und so absurd es erscheint, hat eines seiner politischen Ziele erreicht. Ein weiterer trauriger Tag für Norwegen.

Für die weitere Lektüre empfehle ich die ausgesprochen lesenswerten Artikel des SZ Korrespondenten Gunnar Herrmann (hier) und den Artikel in der FAZ, vom 29.08.d.J. von Sebastian Baltzer, der die politische Aufarbeitung im norwegischen Parlament kommentiert (hier)